Der Verlobte by Christine Sylvester

Der Verlobte by Christine Sylvester

Autor:Christine Sylvester [Sylvester, Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-10-03T04:00:00+00:00


Unheimlichkeiten und ein Überfall

Mit mulmigem Gefühl in der Magengegend nahm Tillmann an der reich gedeckten Abendtafel Platz. Das Gewitter hatte sich gelegt, doch ein unermüdlicher Wind peitschte weiterhin den Regen an die großen Fenster. Strom gab es offenbar immer noch nicht. Der Raum war ausschließlich von Kerzen erhellt. Lautlos tanzten Schatten an der Wand.

Tillmann rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Wo blieben nur Lilly und ihre Tante Clara?

Er sah, wie Onkel Leopold das Briefkuvert von Tante Lilos Gedeck nahm und sich auf seinen Platz setzte. Elisabeth hatte ihr Make-up aufgefrischt, klammerte sich an ein Aperitifglas und blickte gedankenverloren vor sich hin. Bert redete leise auf seine Großmutter ein.

Mama-Lou prostete Tillmann lächelnd mit einem Martini zu. In der anderen Hand hielt sie einen Briefumschlag auf dem Schoß. Dann beugte sie sich verschwörerisch zu ihm herüber.

»Psst, Försterchen!«, zischte sie und schob den Brief über Lillys freien Stuhl zu ihm hin. »Kannst du den für mich aufbewahren?«

»Wo ist Lilly?«, flüsterte Tillmann ihr zu.

»Was gibt’s denn da zu tuscheln, Louise?« Die Großmutter klang streng.

»Prost, Mutter!«, sagte Mama-Lou fröhlich. »Cincin!«

Schnell nahm Tillmann den Brief an sich und ließ ihn in der Tasche seines Jacketts verschwinden.

In diesem Moment betraten Lilly und Clara den Speiseraum. Tillmann staunte. Lilly trug ein langes schwarzes Abendkleid und hatte ihre widerspenstigen Locken hochgesteckt. An ihren Ohrläppchen fingen glitzernde Steinchen das Kerzenlicht ein. Auch Clara war elegant gekleidet, allerdings sehr viel farbenfroher als Lilly.

»Mädels, ihr seht toll aus!« Bert grinste schief.

Als Tillmann Lilly den Stuhl zurechtschob, würdigte sie ihn keines Blickes. Was hatte sie nur? Hatte er sie irgendwie verärgert? Er hatte sich doch an ihre Abmachung gehalten, obwohl das schwerfiel angesichts der Situation. Oder stand sie vielleicht noch immer unter Medikamenteneinfluss?

»Ach, es ist ja so herrlich, hier zu sein!«, rief Clara aus. »Ich freue mich so, euch alle – Nanu?« Sie warf einen feurigen Blick in die lückenhafte Tafelrunde. »Wo sind die denn alle?«

»Nun, sie sind gewissermaßen verhindert«, sagte die Großmutter gemessen. »Ein paar kleinere Zwischenfälle.«

Tillmann spitzte die Ohren. Er war gespannt, wie sie dieser total verwirrten Clara die dramatischen Ereignisse beibringen wollte.

»Was denn für Zwischenfälle?« Claras Stimme klang schrill.

»Kein Grund zur Beunruhigung«, beschwichtigte Onkel Leopold eilig.

»Wo ist denn Veronika?«, fragte Clara. »Ich habe sie noch gar nicht gesehen?«

»Oh, ein Asthmaanfall«, erklärte die Großmutter. »Sie hat sich gleich heute Morgen hingelegt.«

So konnte man das natürlich auch ausdrücken. Neugierig beobachtete Tillmann die Anwesenden.

»Und dein Patenkind? Wie hieß er noch gleich?«, bohrte Clara weiter. »Paul, nicht wahr? Er ist doch sonst immer da, wenn es etwas zu feiern gibt.«

»Der muss das Bett hüten.« Der Großvater klang gereizt. »Er hat Halsprobleme.«

Ein makabres Lächeln huschte über Elisabeths Gesicht. »Ja, ja, das kommt von zu vielen schneidenden Bemerkungen«, sagte sie.

Clara wirkte enttäuscht. »Jetzt sagt nicht, meine Lieblings-Lilo ist auch krank geworden!«

»Doch«, sagte Bert lakonisch. »Sie kann im Moment das Badezimmer nicht verlassen.«

»Magendarmgrippe?«, rief Clara. »Na, hoffentlich hat sie euch nicht angesteckt!«

»Das hoffen wir«, presste die Großmutter hervor. »Und dass Fritz einen Unfall hatte, hast du ja mitbekommen.«

»Oh ja«, sagte Clara. »Ist ja auch ein fürchterliches Wetter da draußen.



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